Du betrachtest gerade Das GießenerLand in römischer Zeit

Der durch das GießenerLand führende Abschnitt der römischen Grenze „Limes“ gehört zum obergermanischen Limes. Die militärische und wirtschaftliche Grenzanlage verlief von LanggönsLinden über Pohlheim und Lich bis nach Hungen. Nachgewiesen sind hier auf 23,4 Kilometer Limes-Strecke 26 Turmstellen, Wall und Graben, sechs Kleinkastelle und Kastelle in Lich-Arnsburg und Hungen-Inheiden.

Noch heute sind Zeugnisse, Spuren und Fundstücke dieser im 3. Jahrhundert n. Chr. aufgegebenen Grenzanlage im GießenerLand zu finden.

Grenzland – das war auch das GießenerLand in römischer Zeit

Im Norden des GießenerLandes lebten die Germanen und im Süden galten die Gesetze des römischen Reichs. Durchgänge an der Grenze erlaubten zwar den Handel, doch Rom verlangte auf ein- und ausgeführte Waren eine Zollgebühr.

Seit der Regierungszeit des Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.), der die Provinz Germania Superior eingerichtet hatte, stieß hier das römische Reich auf nicht besetzte, germanisch besiedelte Gebiete. Markiert wurde diese Grenze von einer Anlage, die bis heute die Region prägt und die zu Recht mittlerweile den Status des Weltkulturerbes verliehen bekommen hat: dem Limes.

Mit dem Begriff „Limes“ bezeichnet man ein das ganze römische Reich umspannendes System zur Überwachung der Grenzen. Der durch das GießenerLand führende Abschnitt gehört zum Obergermanischen Limes. Er verläuft von Langgöns bis nach Hungen und umfasst eine Reihe von militärischen Anlagen. Trotz dieses militärischen Charakters bildete der Limes kein uneinnehmbares Verteidigungsbollwerk, sondern diente vom Ende des 1. Jahrhundert bis gegen 260 n.Chr. vor allem der Kontrolle des Personen- und Warenverkehrs.

26 Turmstellen, sechs Kleinkastelle und zwei Kastelle sind im GießenerLand nachgewiesen. Hier waren keine Legionäre stationiert – deren nächstes Lager befand sich in Mainz (Mogontiacum) -, sondern ausschließlich Hilfstruppen (Auxiliartruppen). In diesen Einheiten dienten Provinzbewohner, die zwar frei geboren waren, aber kein römisches Bürgerrecht besassen (peregrini). Durch ihren Militärdienst erwarben sie sich allerdings nach 25 Jahren den Anspruch, römische Bürger zu werden. Dies war mit erheblichen Vergünstigungen versehen und deswegen sehr begehrt.

Jeweils 4-5 Mann waren für die Wachttürme zuständig, die sich in einer dichten Reihe den ganzen Limes entlang zogen. Sie dienten auch der Signalübermittlung und standen deshalb jeweils in Sichtweite voneinander. Mit Seitenlängen zwischen 5 und 8 Meter und mehr als 9 Meter Höhe handelte es sich durchaus um stattliche Bauwerke.
Drei Stockwerke standen den Soldaten zur Verfügung. Im geschlossenen Untergeschoß befand sich ein Vorratsraum. Mit einer Leiter konnte man den Zugang im Zwischengeschoß erreichen. Hier befand sich der Schlaf- und Aufenthaltsraum mit einer Feuerstelle. Im Obergeschoß mit ringsum laufender Galerie war schließlich die Wachstube untergebracht. Mit hellem Kalkverputz und mit rotem Fugenstrich versehen waren die Türme weithin sichtbar.

Neben den Fundamenten eines solchen Wachtturms bei Pohlheim hat die Heimatvereinigung Schiffenberg 1967 eine Rekonstruktion errichtet, die den damaligen Stand der Forschung wiedergibt. Der landschaftlich schön gelegene Ort ist ein beliebtes Ausflugsziel.

Die Turmbesatzungen waren für längere Zeit aus einem benachbarten Kastell abgeordnet. Einen guten Eindruck von einer solchen Anlage kann man im Holzheimer Unterwald gewinnen. Es handelt sich um eines der sogenannten Kleinkastelle, die an günstigen Eintrittsstellen in das Limesgebiet den Durchgang kontrollierten. Hölzerne Mannschaftsbaracken für je 30-40 Mann standen zu beiden Seiten eines gepflasterten Weges. Im Anschluss an die Ausgrabung 1988-1991 hat man hier die freigelegten Fundamente konserviert und Informationstafeln aufgestellt. Holzbalken markieren den Umriss der Innengebäude. 

In den größeren Numeruskastellen mit ca. 135-150 Mann waren Wach- und Aufklärungseinheiten stationiert. Sie betätigten sich vor allem als Kundschafter in abgelegenen, schwer zugänglichen Gebieten. Bei Hungen-Inheiden befindet sich ein solches Kastell, dessen Struktur sich allerdings heute nur noch in Luftbildern ausmachen lässt.

Im Kastell Arnsburg bei Lich-Muschenheim lag eine ganze Reiterkohorte, also ca. 500 Mann. Auf einer Fläche von 3 Hektar lässt sich ein torbewehrter, von einem Graben umgebener Steinbau nachweisen (185 m x 161 m). Das Gelände wurde von der Archäologischen Gesellschaft in Hessen aufgekauft und damit unter Schutz gestellt. Besichtigenswert ist die Rekonstruktion des Nordtores. Auch der Verlauf der Umwehrung lässt sich im Gelände noch ausmachen.

Die hier stationierten Soldaten mussten allerdings nicht nur untergebracht, sondern auch versorgt werden. Zum Teil hatten sie Familien, die nicht im Kastell wohnen durften. Zwangsläufig entstanden deshalb um solche Kastelle herum auch zivile Siedlungen, in denen Handel und Handwerk gedeihen konnten. Ein reger Warenaustausch stellte sicher, dass Speisezettel und Alltagskultur nicht allzu eintönig, sondern durch Importe aller Art bereichert wurden. Ein gewisser Lebensstandard war durchaus gewährleistet, wie auch die beiden nachgewiesenen Badeanlagen bei Kastell Arnsburg belegen. Überraschend groß sind die Häuser in der Siedlung bei Kastell Inheiden. Natürlich gehören zu den Wohnungen für die Lebenden auch immer die Einrichtungen für die Toten. Außerhalb der Siedlungen lagen große Gräberfelder.

Landwirtschaftliche Erzeugnisse wurden in den Siedlungen nicht im größeren Stil produziert. Auch Dörfer im heutigen Sinne gab es nicht. Stattdessen war das Land mit einem Netz von vereinzelt liegenden Gutshöfen überzogen (villae rusticae). In Hungen-Bellersheim sind noch Reste einer solchen Anlage erhalten.

Militärische Stützpunkte, kleinere Siedlungen und Einzelgehöfte prägten also das Bild dieses Grenzgebiets. Bis zur nächsten Stadt war es ein gutes Stück Weges.

Die Bevölkerung in der Region bestand vor allem aus Soldaten, Händlern, Handwerkern und Bauern. Die Unterschiede untereinander betrafen jedoch nicht nur ihre verschiedenen Arten des Broterwerbs, sondern ihre rechtliche Stellung. Wie oben bereits angesprochen, waren nicht alle Einwohner des römischen Reiches auch römische Bürger – ganz abgesehen von den rechtlosen Sklaven. Dies änderte sich erst im Jahre 212 n.Chr., als Kaiser Caracalla per Dekret allen Freien im Imperium Romanum das Bürgerrecht verlieh. Um dies auch noch im letzten Winkel des Reiches kundzutun, wurde die sog. Constitutio Antoniana schriftlich im ganzen Imperium verbreitet.

Weltweit hat sich nur ein einziges originales Exemplar der Verfügung erhalten. Das Papyrusfragment von wirklich welthistorischer Bedeutung befindet sich im Besitz der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Zum Schluss soll der Blick noch einmal vom Süden über die Grenze nach Norden gerichtet werden, in das freie Germanien hinein. Im Bereich des Obergermanischen Limes hielten sich die Germanen von der römischen Grenze fern bzw. wurden von den Römern ferngehalten. Eine wichtige Ausnahme bildet allerdings die Gießener Senke. Hier können gleich mehrere germanische Siedlungen in Limesnähe nachgewiesen werden. Die Funde zeigen starken römischen Einfluss, was darauf hindeuten könnte, dass diese Germanen in einer Art Pufferzone bewusst zur Grenzsicherung eingesetzt wurden. Im Wallenfels’schen Haus (Oberhessisches Museum Gießen) sind in der Antikensammlung der Justus-Liebig-Universität einige der schönsten Funde zu sehen. Limes-Infozentrum in Hof Graß bei Hungen ergänzt die Museumslandschaft  mit seiner Ausstellung zum Leben der Römer am Limes.